Putins brutaler Überfall auf die Ukraine hat eine Vielzahl von Analysen und Kommentaren auf westlicher Seite hervorgerufen. In der Tat ist das, was da im übernächsten Nachbarland von Deutschland passierte und passiert für uns EU-Bürger nicht wirklich verstehbar. Das Ausmaß an Tod und Leid, das in der Ukraine verursacht wurde, ist nicht zu rechtfertigen. Diese humanitären Aspekte stehen für uns bei allen Überlegungen zu Recht im Vordergrund. Trotzdem darf man natürlich auch andere Aspekte beleuchten, wie etwa den wirtschaftlichen Aspekt. Nachdem ich mehrfach in ganz unterschiedlichen Medien in dem Zusammenhang die Auffassung hörte, dass die Wirtschaft nun doch keinen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten könne, fühlte ich mich in meinem ureigenen Kompetenzfeld angesprochen und zu Widerspruch genötigt.
Wirtschaftlicher Austausch, also Handel, bringt als Nebenwirkung auch stets kulturellen Austausch mit sich. Außerdem erhöht eine internationale Arbeitsteilung gegenseitige Abhängigkeiten, die auf beiden Seiten die negativen Folgen einer militärischen Auseinandersetzung erhöhen. Das sind die wesentlichen Gesichtspunkte, die das Entstehen militärischer Konflikte verringern. Dies lässt sich auch an einer Vielzahl von Beispielen belegen. Denken Sie nur an die Europäische Union, die als reine Wirtschaftsgemeinschaft begann, sich weiterentwickelte und heute auch als Wertegemeinschaft verstanden werden will. Dieses auf wirtschaftlichem Austausch beruhende Modell hat immerhin seit über 75 Jahren zu Frieden in einem sehr großen Teil von Europa geführt. Das gab es zuvor in der Geschichte noch nie.
Hätte Putin seine international tätigen Konzerne gefragt, ob sie einen Okkupationskrieg gegen die Ukraine haben möchten, so wäre er sicherlich gescheitert. Nicht einmal seine Soldaten wussten, worum es ihm bei seinem Einmarsch in das Nachbarland eigentlich ging. Imperiale Großmannssucht ist ja auch kein rationaler und schon gar nicht ein ökonomischer Gedankengang. Nur weil Putin die im Entstehen begriffene Demokratie in Russland wieder abgeschafft, Meinungs- und Pressefreiheit unterbunden und das Gerichtswesen gleichgeschaltet hat, war es ihm möglich die friedenstiftende Wirkung von internationalem wirtschaftlichem Austausch zu umgehen. Die Zukunft unserer Gesellschaften wurde und wird auch in Zukunft von einer Vielzahl von Einflüssen bestimmt. Wenn nun einer davon einen anderen in der Wirkung in einer speziellen Situation überlagert, ist das kein Beweis für die Bedeutungslosigkeit dieses Einflusses. Auch wenn es uns heute schwer fallen dürfte, schon so weit zu denken; kein Regime herrscht ewig, und in einer Zeit nach Putin sollten wir uns tunlichst wieder um einem intensiveren wirtschaftlichen Austausch mit Russland bemühen. Mit Putin selbst wird das allerdings wohl eher nicht mehr möglich sein, auch wenn es richtig bleibt dass von internationalem Handel und internationaler Verflechtung stets Frieden stiftende Wirkungen ausgehen.