Zwei Ereignisse haben jüngst die Frage nahegelegt, wieviel Staat unser Geld eigentlich braucht. Da berichtete die EU-Kommissionspräsidenten unlängst darüber, dass der digitale Euro noch auf sich warten lasse, und wenig später machte Elon Musk mal wieder auf sich aufmerksam, indem er nunmehr den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren will.
Tatsächlich hat sich erst der moderne Interventions- und Anstaltsstaat (Hans-Ulrich Wehler) seit dem 19. Jahrhundert zunehmend Einfluss auf unser Geld verschafft. Dynamisch wurde dieser Aneignungsprozess dann im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts. Zuvor war das Geld dem Einfluss des Staates weitgehend entzogen. Na klar, es gab auch damals Potentaten, die das Geld mit vollen Händen ausgaben und ihre Untergebenen in arge Not brachten. Es sind auch zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Machthaber ihre Edelmetalle mit minderwertigen Metallen streckten, um damit für sich höhere Einnahmen zu generieren. Es ist auch richtig, dass die Prägung in hoheitlichen Münzprägeanstalten erfolgte. Aber die Möglichkeiten, die der Staat in einem Fiat-Money-System hat, hatten sie nicht. Sie konnten weder direkt noch indirekt Deflationen, Inflationen oder Vermögenswertinflationen auslösen. Geld funktionierte als solches weitgehend ohne den Staat.
Und tatsächlich hat es nie zuvor so viele Ansätze gegeben wie jetzt, Geld zu kreieren, das ohne den Staat auskommt und funktioniert. Der Bitcoin ist nur das bekannteste Beispiel. Es gibt inzwischen rund hundert derartige Kryptowährungen, also verschlüsselte digitale Währungen. Noch werden diese vornehmlich als Anlagemöglichkeit und weniger als Währung genutzt, auch wenn sie sich selbst als Währungen darstellen und ein solches Potential in sich tragen. Für mich gehört nicht viel Phantasie dazu, mir vorzustellen, dass eines Tages ein oder mehrere internationale Großkonzerne in die systematische Nutzung einer Kryptowährung einsteigen. Elon Musk könnte hier wieder einmal der historische Vorreiter werden. Vielleicht geht der Impuls aber auch von Staaten wie zum Beispiel Singapur aus. Von dort waren jedenfalls schon Überlegungen zu vernehmen, zum Goldstandard zurückzukehren. Und was passiert, wenn es gelänge eine Kryptowährung mit realwirtschaftlichen Werten zu besichern?
Es sollte uns allen klar sein, dass Geld eben nicht der Staatlichkeit bedarf um zu funktionieren. Erwähnt sei hier Somalia, ein Staat ohne Zentralregierung, in dem die Währung trotzdem funktioniert, weil die Warlords keine solche Spielchen damit treiben wie manche Industriestaaten. Mit strategischen Konzepten dieser Art wird in vorausschauenden Köpfen sicherlich schon gespielt. Für mich lautet die Frage weniger, ob ein solcher Rollout stattfinden wird? Die realistische Frage ist doch wohl eher: Wann? Sobald dieser Zeitpunkt erreicht sein wird, wird es für marode Währungen zu spät sein, denn dann beginnt der Wettlauf um das „bessere“ Geld. Hoch verschuldete Währungsräume werden von da an kaum noch Zeit finden, ihre deflationistischen oder inflationistischen Währungen schnell wieder für den neu beginnenden Wettbewerb fit zu machen, der dann nicht mehr zwischen Dollar, Euro, Schweizer Franken, Britischem Pfund und so weiter stattfindet, sondern zwischen den besseren Konzepten. In dem Wettbewerb müssen die staatlichen Währungen keinesfalls die Verlierer sein; sie müssen nur in jeder Weise gut sein. So haben wir einen weiteren Grund gefunden, keine Experimente mit unserem Geld zu machen (machen zu lassen) und stets Wert auf gute alte kaufmännische Solidität und Vorsicht zu legen, um es einmal aus dieser Blickrichtung zu formulieren. Sie wenden ein, dass man eine solche Entwicklung mit staatlichen Verboten doch einfach aufhalten könnte? Ich würde durchaus mit einem derartigen Versuch rechnen. Bisher haben sich allerdings alle, wirklich alle zukunftsfähigen Ideen früher oder später dann doch durchgesetzt.